ICONS, C-Prints hinter Acrylglas, 41 x 31 cm / 87 x 68 cm
Thomas Hirsch: Fast nicht von dieser Welt
Eine Presseinformation aus Anlass einer Ausstellung bei Horst Schuler betonte Elisabeth Brockmanns „Visionen – cool und sentimentalisch zugleich – vom menschlichen Antlitz. Ihre Bildprojekte fokussieren […] den Übergang von ‚männlich’ zu ‚weiblich’ zu …? Identität. Gender studies.” Brockmann, die 1955 geboren wurde, bei Gerhard Richter an der Düsseldorfer Akademie studiert hat und – wenn überhaupt – die Malerei nicht mit Öl- bzw. Acrylfarbe auf Leinwand bzw. Papiergrund betreibt, arbeitet mit neuen Medien. In größeren, ausgreifenden Werkfolgen entstehen digital bearbeitete Bilder, im Falle der längsovalen Porträts konzentriert auf das Gesicht, welches so herangezoomt und bearbeitet ist, dass es wie ein menschliches wirkt, tatsächlich aber von einer Schaufensterpuppe stammt. Schon vor der Erkenntnis setzt die Irritation ein, kulminiert im Erschrecken über das perfekt Künstliche, darin Kühle, vielleicht Geklonte, Unmenschliche.
Andere Werkgruppen: eine Diaprojektion tastet in ständiger Rotation den Raum ab, zieht sich im Dunkel zusammen und dehnt sich, verzerrt, auseinander. Die Leuchtkästen wiederum besitzen als Kunst am Bau eine stabile Präsenz, wie an der Fassade des Dresdner Albertinums, bei einer Arbeit mit sechs Lightboxes nach Gemälden der Museumssammlung, die im Dezember 2002 montiert wurden. Temporär war hingegen eine (statisch) projizierte Installation in München. „Es sind Augen, die einen nicht loslassen, Augen, die einen wahrscheinlich noch bis in den Schlaf hinein verfolgen. Wie zur Observierung richtet sich das überdimensionierte Augenpaar – ein kühler gläserner, hypnotischer Blick – auf die Passanten des Max-Joseph-Platzes. Das blaugrüne Rund der Iris spiegelt nichts als den dichten Wimpernkranz wider” (B. Sonna, Süddeutsche Zeitung, 5.2.2000). Die Projektion, welche sich auf der Glasfront des Residenztheaters befand, setzte sich im Gebäude selbst fort: als Schatten, nun im Rücken der Theaterbesucher …
Brockmanns Arbeiten haben mit Inszenierung, mit der Dramaturgie von Licht und mit suggestiver Konfrontation zu tun; sie bedenken das Publikum und die Vorstellung, mindestens Illusion eines Bühnenraumes. In ihrem Künstlerbuch „The New Museum – Private View” (1992) hat sie Visionen für einen neuen Museumstypus entwickelt, eine archaische Bildsprache wie auch die Kunstgeschichte zitierend. Der Betrachter erlebt die riesigen, grell leuchtenden Bilder in den dunklen Räumen wie Ikonen, idealisiert und enthoben. – Vieles von dem, was später realisiert wird, ist hier schon angelegt. Zum Beispiel die Bühnenentwürfe, in Zusammenarbeit mit Elisabeth Schweeger, Margarethe von Trotta und Elfriede Jelinek. Für Hanna Schygulla hat sie 1996 und dann 1999 in „Mois … pas moi” eine käfigartige Bühne entwickelt, welche den Monolog der Schauspielerin ins Labyrinthische verlegte und Assoziationen an eine Peep-Show aufwarf. Die Betrachter sahen Hanna Schygulla durch einen transparenten Spiegel, auf dem vor allem sie selbst zu sehen waren. Innen und Außen, Privatheit und Öffentlichkeit, Wahrheit und Fiktion, (Ent-) Täuschung ziehen sich durch Brockmanns Werk, in betörender Schönheit. Dazu gehören schließlich die Arbeiten, die seit Mitte der neunziger Jahre auf der Grundlage pornographischer Fotos entstanden sind: in extremer Nahsicht, mit weichen Verläufen und im blauen oder grünen Ton weiter verfremdet. Bilder, die erst allmählich den Status des Abstrakten verlassen, damit den Betrachter auf seine Wahrnehmung zurückwerfen, ihn in seinen Fantasien verfangen.
Nur vermeintlich sind die „Icons”, die anfangs beschriebenen Gesichtsausschnitte weniger radikal. Es sind androgyne Gesichter, makellos, die den Betrachter an- und durch ihn hindurchschauen. Sie wecken Hoffnung und bleiben doch Utopie, handeln von Oberflächen und Klischees und vermitteln eine aufpeitschende Sinnlichkeit. Mit jeder Annäherung entziehen sie sich.