Bilder für die Wand, 1984 – 2002
Presssetext:
ELISABETH BROCKMANN
alles was echt ist
WERKSCHAU
22.JANUAR – 12. MÄRZ 2005
Ab 21.1. 2005 zeigt die GALERIE WITTENBRINK in der Jahnstrasse 18 Arbeiten der Düsseldorfer Künstlerin Elisabeth Brockmann.
Elisabeth Brockmann ist Jahrgang 1955 und hat in Düsseldorf bei Gerhard Richter Malerei studiert.
Vor fünf Jahren zeigte Elisabeth Brockmann die Arbeit „Der Digtitale Blick“ am Residenztheater in München. Eine 23 Meter lange Projektion eines Augenpaares blickte uns aus der Front des Residenztheaters entgegen. In ihrer neuen Einzelausstellung in der Galerie taucht dieses Motiv wieder auf . Das Augenpaar liegt diesmal als Leuchtkasten auf dem Boden.
So, als würde ein unbekannter Beobachter oder sie selbst von Außen die Ausstellung anschauen und gleichzeitig die Besucher beobachten. Es ist, als wollte Elisabeth Brockmann selbst einen Blick hinter die Kulissen werfen. Da man aber selbst Beobachter oder Betrachter der Ausstellung ist, beginnt man, sich mit dem Beobachter der Ausstellung – dem Augenpaar unter der Decke -auseinanderzusetzten. Man entdeckt die Künstlichkeit der Augen. Die Portraits, die Elisabeth Brockmann ausstellt, sind Portraits von lebloser Materie, von Attrappen, von Gesichtskulissen, von Schein und nie von Wirklichkeit, auch wenn einem die Portraits als solche begegnen.
Der Bilck hinter die Fassade, hinter das Bild oder das Bild als Wirklichkeit, das sind die Momente die Elisabeth Brockmann interessieren. Gleichzeitig haben die Portraits eine ähnliche Wirkung wie all ihre anderen Arbeiten. Immer fühlt man sich als Betrachter angezogen von den Bildern , sie fordern geradzu einen weiteren Bilck heraus, so als würde man unter ständigem Betrachten der Bilder von Elisabeth Brockmann diese auch enträtseln, erfassen und begreifen. Doch oft ist das Gegenteil der Fall. Die Bilder entziehen sich einem, werden noch distanzierter und fremder. Dies trifft auf die Engelbilder zu , ebenso die Portraits, die pornografischen Arbeiten und die neuesten Bilder mit dem einzelnen Grashalm, der wiederum im Bild selbst schon beobachtet wird bevor wir den Beobachter wahrnehmen oder den Grashalm als solches erfassen. Elisabeth Brockmann entläßt uns in eine konkrete Bildwelt , die oftmals die Flüchtigkeit eines Gedankes hat der einen nicht losläßt.
Himmel und hell
Fünfzehn Auslassungen zu den Bildern von Elisabeth Brockmann
von Stephan Trescher
I
Vox Angelica: Please allow me to introduce myself: My name is Dean. James Dean.
S/He: Angenehm, ich bin das Mädchen Montage.
II
Das bildnerische Prinzip Elisabeth Brockmanns ist grundsätzlich dualistisch; immer stoßen zwei Sphären aufeinander, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen. Da sich die Künstlerin dabei überwiegend realistischer Einzelteile bedient, üblicherweise der fotografischen Art, eignet all ihren Werken eine seltsam unwirkliche Qualität: die von Träumen.
Im Unterschied zu den Surrealisten ist sie allerdings nicht bestrebt, Träume zu deuten, ins Unterbewußte zu tauchen, um von dort im Schlaf erdachte Bilder an die Oberfläche des Bewußtseins emporzuholen; sie konstruiert und gestaltet vielmehr traumähnliche
Bilder – kurz: Elisabeth Brockmann betreibt ihre eigene Traumfabrik.
In ihren Anfängen hatte das durchaus noch mit Hollywood zu tun. (Später eher mit bühnenhaften, inszenierten Interieurs und dramatischer Überhöhung ansonsten nüchterner Bauten und Bilder, aber das führt jetzt zu weit.) Es beginnt mit dem Hineinmogeln in Filmstills der Vergangenheit, dem Sich-Dazwischenmischen unter Heroen wie James Dean oder Humphrey Bogart. Die Künstlerin taucht auf als zusätzliche Assistenzfigur, manchmal als kleines, ja zwergenhaftes Wesen, geschrumpft durch Bewunderung für die überlebensgroßen Leinwandhelden, oder als Aktrice, an Stelle der eigentlich in der jeweiligen Szene agierenden Monroe, Bacall, Bergmann.
III
Das Eindringen
der Farbe ins Schwarzweiße
der Malerei in die Fotografie
des Lichts ins Dunkel
des Fremdkörpers in den eigenen
IV
Nichts kommt hinterher –
bis die Erde ein Erbarmen hat und die
Steine sich erweichen lassen,
wenn das kaum vernarbte Gewebe des Marmormantels aufreißt und
die Wunde schwärt und blutet und
gleich überfließt vor Liebe und
alle starren und staunen, bis sie ihre
Finger hineinstoßen können,
ungläubig, immer noch.
V
Sei ohne Sorge, sois sans souci, aber wappne dich mit Farbe, Pinsel, Kamera.
VI
Wie die Schleier des Nordlichts durch das farblose Fenster wehen und die ganze graue Welt mit Farbe erfüllen, die Malerei sich in das Feld der Fotografie schleicht, in Kreuzgänge, Fenster, Türen, auf Grabmäler und kirchlichen Fassadenschmuck lebendige Farbe haucht, manchmal sich unterordnend, zart kolorierend, fast wie auf altmodischen Ansichtskarten, ein andermal als spitzer Schrei, greller Akzent, scharfer Keil ins Grau-in-Grau getrieben, oft aber auch das ganze Bild sättigend, tränkend mit Farbe den schwarzweißen Schwamm, bis er glüht, leuchtet, lodert, flammt.
Davon sind auch die Engel betroffen.
VII
Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber in welcher Höhle halten wir uns auf? Platons Darkroom, Dunkelkammer, Kirche, Schloß, Verlies? Und das Licht am Ende des Tunnels, ob Eingang oder Ausgang: Ist es bloß der Super-Trooper über der leergeräumten Bühne, kurz bevor der eiserne Vorhang fällt, der Suchscheinwerfer der Polizei – im Dunkel tastend über den Asphalt, der immer regennaß glänzen muß, wo die Pfützen stehen wie Blutlachen, die rissige Betondecke über der Fahrbahn sich schorfig wölbt wie die Speiseröhre eines gigantisch großen, urweltlichen Monsters – nach dem Opfer fingernd, tot oder lebendig, oder das anhaltende Blitzlichtgewitter der Pressefotografen?
VIII
Vielleicht ist schon der Geschlechtsakt an sich die Versöhnung des vollkommen Unvereinbaren. Auf Zeit. Auf Zeit. Auf Zeit.
IX
Ganz sicher gelten als unvereinbar die Pornographie und die Schönheit, aber genau nach dieser Vereinbarung streben die Porno-Übermalungen von Elisabeth Brockmann. Es sind Überhöhungen, die bei aller Deutlichkeit im Detail die Rückgewinnung des Genußreichen, Erotischen erzielen, des Geheimnisvollen und Spannungsgeladenen, einer Augenlust, die über den voyeuristischen Kitzel weit hinausgeht. Den kalten, auf die pure Aufgeilungs-Absicht reduzierten Bildern von grotesken Turnübungen, zur Pose erstarrter Raserei, ausgeklügelten Verschraubungen und leidenschaftslosen Ekstasen haucht sie mit der Glut ihrer Farbe Leben ein und die auratische Schönheit des Sinnlichen.
X
So wie sie den leb- und lieblosen Leibern mit malerischen Mitteln, mit Verfremdung, Negativumkehrung und Neonleuchtkraft neue Energie verleiht, so gelingt der Zauberfrau Brockmann auch die Belebung, gar Beseelung der toten Gesichter ihrer Puppenköpfe. Es ist alles nur eine Frage der Perspektive und des Lichts. Aber im Nur steckt die Kunst. Sie träumen, schmachten, lauern, stieren, folgen dir mit ihren Augen und durchbohren dich mit Blicken.
XI
Look into these angel eyes, one look and your hypnotized
XII
Der Schaufensterpuppenkopf wird ins farblose Ungewisse zurückgedrängt, darüber wächst das grell elektrische Grün eines Grashalms empor, der ins Auge sticht, ragendes Gegenstück zum rotglühenden Bermudadreieck unter den Falten des Gewandes – how come you taste so good?
XIII
Zieh den Vorhang zur Seite
und sieh:
wie die Fleischwunde blüht
und welkt.
Es wächst:
die Grasnarbe.
XIV
Die helle, lichte Ruhe des gelben Stillebens. Nur eine ganz leise Beunruhigung macht sich bemerkbar: Was ist das hinter dem Vorhang? Bauscht ihn ein Luftzug? Wie verboten sind die Früchte davor? Warum bleibt das Buch von Farbe unberührt, und ist die schwarzweiße Welt wirklicher als das sonnengelbe Drumherum?
XV
Nothing is real.