LUX
Mannheim
2007, Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim, 50 Lichtmodule in der Fassade, Gesamtmaß 17 x 60 Meter
2007, Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim, 50 Lichtmodule in der Fassade, Gesamtmaß 17 x 60 Meter
LUX
Der Platz vor dem Mannheimer Zeughaus war gross, grau und leer. Ein Kunstwerk sollte her. Alle meine Ideen für den ehemaligen Exerzier-Platz wirkten wie Lippenstift auf einem Gorilla. Ich hielt mich an den Auftrag – Kunstwerk auf Platz – suchte nach Lösungen und fand keine.
Das Gebäude war zwischenzeitlich für die Sanierung entkernt und eingerüstet, ich lief mit den Architekten durch’s Haus, kletterte mit ihnen durch die leeren Fenster nach draussen aufs Gerüst, liess mich auf’s Dach führen und hielt dem schwindelerregenden Blick in die Tiefe stand, um mir vor den Architekten keine Blösse zu geben. Als ich wieder festen Boden unter den Füssen hatte, war auch mein Ruf bei ihnen gefestigt und die Idee geboren: Nicht der Platz bekommt ein Kunstwerk, sondern das Haus. Ich wollte das Haus gewissermaßen auf den Platz schauen lassen und die beiden – Haus und Platz – zu Akteuren in einem Spiel zwischen Betrachter und Betrachtetem machen. Das bedeutete: Alle 50 Fenster der 20 x 60 Meter breiten Nordfassade würden bespielt mit den Teilen eines Augenpaars, das sich vom Platz aus gesehen zu einem scheinbar bewegten Blick verwandelt. Und es bedeutete auch: Gemeinsam mit den Architekten, Innenarchitekten und Kuratoren des Museums musste eine Lösung gefunden werden, die es mir erlaubte, sämtliche Fenster der Nordfassade dauerhaft zu verbauen. Mit Modellen, Photomontagen und Engelszungen habe ich für meine Idee geworben und gewonnen.
Beim Bau der Modelle entstand ein seltsames Problem: Meine Idee, das Augenpaar – es stammt übrigens von einer Schaufensterfigur – einfach in 50 Teile zu zerlegen und in die Fenster einzusetzen, funktionierte nicht. Es kam ein irrer, irgendwie verrückt wirkender Blick heraus. Erst als ich jedes einzelne Teil etwas verschob und “falsch” einsetzte, war das, was am Schluss herauskam, ein berührender menschlicher Blick.
Die 50 Einzelteile wurden in einer Dresdner Spezialdruckerei doppelt direkt auf transluzente Acrylglasplatten gedruckt, wobei sich ein neues Problem ergab: die einzelnen Bildteile sollten zwar jeweils mehrere Meter voneinander entfernt im Gemäuer sitzen, trotzdem wären auch leichte Farbabweichungen zwischen den Bildtafeln, vor allem bei den Hauttönen, verhängnisvoll gewesen. Da der Druck der riesigen Platten sich über eine ganze Woche hinzog und wir in dieser Zeit einen Wetterumschwung mit Temperaturunterschieden von 20 Grad hatten, traten aber genau diese Farbabweichungen auf. Der Kampf mit den Druckern war eröffnet. Sie sahen keine Farbabweichungen, sondern in mir einen übersensiblen Künstler. Am Ende sorgte eine zusätzlich eingebaute Klimaanlage für gleichbleibende Temperaturen und Farbtöne.
50 Bildtafeln, ca 2,7 x 1,3 Meter gross, wurden von innen in die Fensterlaibungen eingehängt, dahinter Lichtmodule aus reflektierendem Aluminiumverbundmaterial mit insgesamt 380 Leuchtstofflampen im Gewände verschraubt und die Laibungen nach innen mit reversiblen Wandplatten verschlossen.
Bei der Einweihung sollte es – als Startschuss zu den 400-Jahr-Feiern der Stadt – ein Spektakel mit Bürgermeister und Glockengeläut geben. Der Bürgermeister hatte einen Startknopf vor sich, auf den er am Ende eines Countdowns drücken sollte, um die “Augen” anzuschalten. Dazu war Glockengeläut in der gesamten Stadt geplant. Während des Countdowns knipste im Haus jemand versehentlich die Lichtanlage an, die Augen leuchteten, der Bürgermeister geriet mit dem Countdown ins Schleudern, die Augen wurden wieder ausgeschaltet, die Glocken begannen zu läuten, der Bürgermeister drückte den Startknopf … und es blieb dunkel.
Heute ist die Installation eine Art Wahrzeichen der Stadt und zieht Touristen buslandungsweise an. Immer wieder versuchen die Leute herauszufinden, warum die Augen sich bewegen. Dabei sind es nicht die Augen, sondern die Betrachter, die sich bewegen. Die Augen tun es nur scheinbar, weil sie so photographiert sind, dass sie dem Betrachter immer folgen.